veröffentlicht am: 13.03.2020

Fachartikel: Die neue Rolle des Service im digitalen Zeitalter

Service wird für mittelständische Industrieunternehmen immer wichtiger. Denn mit Support, Wartungen und Reparaturen realisieren sie nicht nur immer mehr Umsatz. Sie differenzieren sich auch vom Wettbewerb. Optimal gelingt das aber nur mithilfe digitaler Technologien.

Service boomt! Das zeigen die Erfahrungen vieler mittelständischer Industrieunternehmen, mit denen wir in Projekten eng zusammenarbeiten. Und das belegen Studien, die der Kundendienst-Verband Deutschland (KVD) regelmäßig veröffentlicht. Die mit Service erwirtschafteten Umsätze steigen demnach seit Jahren. Zuletzt hat der KVD im November 2019 Zahlen veröffentlicht. Gewachsen sind demnach nicht nur die Serviceumsätze, sondern auch die Margen. Erhöht hat sich zudem der Anteil der Serviceumsätze am Gesamtgeschäft. Das gilt ganz besonders für das B2B-Umfeld.

Angebot und Nachfrage: Mehr Dynamik im Servicegeschäft

Für diese Entwicklung sind im Wesentlichen drei Treiber verantwortlich: Erstens werden Produkte tendenziell immer komplexer und erfordern daher immer mehr professionelle Wartung. Zweitens können sich die Anwender-Unternehmen angesichts des intensiven globalen Wettbewerbs den Ausfall von Produktionsmitteln immer weniger leisten. Grundsätzlich trifft das auf alle physischen und nicht-physischen Assets wie Software zu, die Unternehmen einsetzen – von den PCs im Backoffice bis zu den Maschinen und Anlagen im Shopfloor. Diese beiden Punkte führen zu einer verstärkten Nachfrage. Parallel tut sich etwas auf der Angebotsseite. Denn drittens haben die Hersteller-Unternehmen erkannt, dass sie sich mit guten Services im Wettbewerb differenzieren können – was ausschließlich über die Produkte schwieriger wird.

Für die Hersteller lohnt sich ein guter Service also gleich doppelt: Sie punkten bei den Kunden und bauen einen Geschäftsbereich aus, der kontinuierlich Umsatz liefert – und zwar ohne zusätzliche Vertriebsaktivitäten. Mit einem Fingerschnippen gelingt das aber natürlich nicht. Wollen Unternehmen auf der Service-Welle surfen, müssen sie fast immer ihre Servicestrukturen und -prozesse anpassen. Effektivität und Effizienz müssen steigen. Die Kundenorientierung ebenso. In der Regel ist das Potenzial für all das groß.

Customer Experience: Kundenerwartungen übertreffen

Gefordert sind jetzt insbesondere die Serviceleiter, die ihre Service-Organisation in die digitale Zeit führen müssen. Technologien sind dabei entscheidend. Sie sind aber lediglich das unverzichtbare Mittel. Wichtiger ist allerdings der Zweck. Und über den muss sich der Service häufig erst einmal richtig bewusst werden. Denn es geht nicht nur darum, eine Maschine oder Anlage zu warten oder wieder in Gang zu setzen. Es geht darum, Kunden in einer für sie ungünstigen Situation eine herausragende Customer Experience zu bieten. Damit das gelingt, müssen die Servicemitarbeiter die Erwartungen der Kunden übererfüllen.

Was die Kunden erwarten, hat das Beratungsunternehmen PwC mit seinem „Future of Customer Experience Survey 2017/18“ herausgefunden. Für die weltweit rund 15.000 befragten Personen haben fünf Aspekte eine besonders große Bedeutung: Effektivität, ein erfahrener Service, Komfort, eine leichte Zahlungsmethode und ein freundlicher Service. Wichtig sind außerdem aktuelle Technologien, menschliche Interaktion sowie eine einfache und mobile Erreichbarkeit. Interessant auch: In Deutschland rangiert ein unfreundlicher Service bei den K.O.-Kriterien auf Rang 1.

Erwähnenswert ist vor diesem Hintergrund, dass die Wahrnehmung der Serviceleiter und die Wahrnehmung der Kunden häufig voneinander abweichen. Gerade weil sie so wichtig ist, fokussiert sich ein Serviceleiter beispielsweise ganz auf die Freundlichkeit seines Teams. Und tatsächlich erlebt ein Kunde die Servicemitarbeiter dann auch als äußerst zuvorkommend. Weniger positiv fällt dem Kunden aber vielleicht auf, dass nicht alle seine Fragen beantwortet werden konnten. Oder der Serviceleiter ist sehr zufrieden damit, dass stets alle relevanten Informationen zur Verfügung stehen und genutzt werden können. Ein Kunde bemängelt aber vielleicht, dass er – aus seiner Sicht – nicht immer optimal auf dem Laufenden gehalten wird.

Serviceprozess: Etliche Ansatzpunkte für besondere Leistungen

Für den typischen Serviceprozess eines mittelständischen Industrieunternehmens lassen sich aus diesen Erkenntnissen konkrete Handlungsempfehlungen ableiten. Zum Beispiel diese:

  • Kunden sollten den Service auf dem bevorzugten analogen oder digitalen Kanal erreichen können.
  • Chatbots und Self-Services können dabei eine Ergänzung sein – sie sollten aber nicht den einzigen Kanal darstellen.
  • Der Servicemitarbeiter, der das Anliegen entgegennimmt, sollte auf den Kunden eingehen, ihm konkrete Angaben zum weiteren Vorgehen machen oder ihn mit einem passenden Ansprechpartner verbinden können.
  • Die Abstimmung eines Termins für den Serviceeinsatz sollte für den Kunden unkompliziert gestaltet sein.
  • Der Termin sollte zeitnah stattfinden – im Umfeld von mittelständischen Industrieunternehmen ist das manchmal remote möglich, meist ist aber ein Vor-Ort-Termin erforderlich.
  • Der vereinbarte Termin sollte unbedingt eingehalten werden.
  • Im Rahmen des ersten Termins sollte das Anliegen vollständig und dauerhaft bearbeitet werden – nachteilhaft ist, wenn Ersatzteile fehlen oder der Servicemitarbeiter nicht über die erforderlichen Kompetenzen verfügt.
  • Neue Anforderungen, die sich beim Termin ergeben, sollten unmittelbar aufgenommen werden können.

Wer das leistet, wird den Erwartungen gerecht – die nicht selten in Service Level Agreements definiert sind und daher ohnehin erfüllt werden müssen. Um Kunden wirklich zu beeindrucken, sollte es daher schon ein bisschen mehr sein: Servicemitarbeiter sollten ihren Kunden einen Nutzen verschaffen, mit dem sie nicht gerechnet haben. Das kann zum Beispiel bedeuteten, dass beim Termin vor Ort Hinweise für einen effizienteren Einsatz der Maschine oder Anlage gegeben werden. Oder der Service weist auf einen Defekt hin, der in der Zukunft wahrscheinlich ist. Das Stichwort dafür ist Predictive Maintenance.

Serviceleiter: Gestalter der digitalen Service-Zukunft

Serviceleiter sind zwar an diesen operativen Aktivitäten in der Regel nicht beteiligt. Sie müssen diese aber ermöglichen. Digitale Technologien spielen dafür deshalb eine so große Rolle, weil sie Kommunikation und Kollaboration ermöglichen und Wissen managen. Und zwar im besten Fall durchgängig. Einige Beispiele verdeutlichen das:

  • Ein eingehender Anruf eines Kunden im Call Center öffnet auf dem Rechner des Innendienstmitarbeiters eine Ansicht mit allen Informationen zum Kunden und den eingesetzten Maschinen und Anlagen.
  • Der Innendienstmitarbeiter im Callcenter vereinbart unmittelbar einen Termin, weil er nicht nur auf die Kalender der Außendienstmitarbeiter zugreifen kann, sondern auch deren Qualifikationen im Blick hat.
  • Der zuständige Außendienstmitarbeiter macht sich vor dem Termin im Detail mit der Situation beim Kunden vertraut – dazu gehört auch die Servicehistorie der betroffenen Maschine oder Anlage.
  • Während des Termins greift der Außendienstmitarbeiter auf umfassendes Wissen zur Wartung oder Reparatur zu – nutzt er dabei eine Augmented-Reality-Brille, hat er sogar beide Hände frei.
  • Sämtliche Daten zum Servicevorgang erfasst der Außendienstmitarbeiter noch vor Ort – dadurch lässt sich im Nachgang nicht nur rasch die Rechnung stellen, die Dokumentation ist auch für den nächsten Serviceeinsatz hilfreich.

Natürlich ist die Liste nicht vollständig, sondern skizziert nur einige übliche Szenarien. Das Prinzip wird dadurch aber deutlich: Daten werden zentral gesammelt und so aufbereitet, dass sie in jeder Situation optimal nutzbar sind.

Analyse: Erkenntnisse für eine kontinuierliche Verbesserung

Das so realisierte Management der Daten ermöglicht ein besseres Management der Service-Organisation. Serviceleiter erreichen dadruch leichter die mit ihnen vereinbarten Ziele: etwa die Einhaltung der SLAs, eine hohe Kundenzufriedenheit oder sinkende Kosten bei steigendem Umsatz. Es geht aber noch mehr. Dann nämlich, wenn die erhobenen Daten analysiert werden und aus den gewonnenen Einsichten spezifische Maßnahmen folgen.

Eventuell kristallisiert sich heraus, dass die Anliegen der Kunden, die zunächst einen Chatbot nutzen, effektiver und effizienter bearbeitet werden können, als das bei einem direkten Anruf im Call Center der Fall ist. Dann sollten die Kunden verstärkt zu diesem Weg motiviert werden. Möglicherweise fällt im Laufe der Zeit auf, dass an bestimmten Maschinen bestimmte Defekte unter bestimmten Bedingungen immer wieder auftreten. Eine solche Erkenntnis sollte dann an die Produktentwicklung und die Produktion weitergeleitet werden. Und vielleicht stellt sich heraus, dass manche Reparaturansätze zwar aufwendiger sind, dafür aber zu einer deutlichen Steigerung der Overall Equipment Effectiveness (OEE) führen. Das ist eine Botschaft, mit der Außendienstmitarbeiter im Termin punkten können.

IT-System: Für durchgängige Serviceprozesse

Das alles klingt gut. Die berechtigte Frage ist aber, wie Serviceleiter das alles umsetzen sollen. Schließlich sind sie mit den eigentlichen Aufgaben schon mehr als ausgelastet. Insofern ist der Einsatz eines IT-Systems, das sämtliche Serviceprozesse durchgängig abbildet und alle erforderlichen Funktionen bereitstellt, der beste Weg. Ein solches System ist SAP Customer Experience Portfolio bzw. die darin enthaltene SAP Service Cloud. Die Cloud-Lösung bietet nicht nur etliche Tools für den Aufbau von Self-Services sowie für die Unterstützung des Innendienstes und des Außendienstes. Als integraler Bestandteil von SAP Customer Experience Portfolio ist die SAP Service Cloud auch nahtlos an die übrigen Module der Suite angebunden. Das ermöglicht eine perfekte Zusammenarbeit mit den angrenzenden Fachbereichen: vor allem mit dem Marketing und dem Vertrieb. Die wiederum profitieren von den Erfahrungen aus dem Service.

Über den Autor

Dr. Frank Grave, Head of Business Development bei ai informatics

Der promovierte Physiker hat den Grundstein seiner Karriere im Analytics-Umfeld gelegt und ist seit 10 Jahren für ai informatics tätig. Er arbeitet sich mit Vorliebe in komplexe Sachverhalte ein und achtet dabei insbesondere auf Verständlichkeit in deren Darstellung.

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